Noch mehr alte Stoffe

Ein Packen kaum gebrauchter Stoff-Servietten, ein dazu passendes Tischtuch. Wollte keiner haben, niemand von den drei Kindern, niemand von den acht erwachsenen Enkelkindern meiner verstorbenen Schwester. Feiner Damast, Hohlsaumstickerei, gut erhalten.

img_0910

„Hochzeitsgeschenk meines Onkels Max G.“ stand auf dem beiliegenden Zettel. Max G., der Onkel meiner Mutter, der im fernen Ostpreußen einen „Manufactur und Wäschegeschäft“ genannten Laden betrieb, im Zentrum von Königsberg, nicht weit vom Kaufhaus Karstadt. 12 Jahre nach der Hochzeit meiner Mutter blieb von dem ganzen Viertel nichts, ein riesiger Trümmerhaufen, die Reste wurden planiert, nicht wieder aufgebaut.

Er hat sich nicht lumpen lassen, mein Großonkel, über dessen Schicksal ich nichts weiß. Servietten wie Handtuch haben eine sehr gute Qualität. Keine Ahnung, was dergleichen heute kostet. Manufactum hat nichts vergleichbares im Angebot.

Wer braucht heutzutage noch Stoff-Servietten und Tischtücher? Und dieses komische Lachsrot. Ein unbekannter Groß- oder Urgroß- oder Ururgroßonkel; Königsberg, Kaliningrad heißt das doch heute, schon der deutsche Name ist doch irgendwie peinlich. – So haben sie vielleicht gedacht, die nachgeborenen Erben.

Hätte ich die Sachen nicht mitgenommen, wären sie weggeworfen worden. Pardon: Sie wären natürlich abfallmäßig und ethisch korrekt in den Säcken mit den Sachen für die Caritas gelandet.

Die nächsten Gäste,  das steht fest, bekommen Großonkels Stoffservietten.

7 Gedanken zu „Noch mehr alte Stoffe

  1. puzzleblume

    Schön gebügelt und gestärkt für ein Essen mit Gästen finde ich solche Tischwäsche wunderschön. Meine Mutter hat mir mal verraten, dass die Stärke nicht nur den Sinn hatte, dem Damast schönen Glanz zu geben sondern auch ein bisschen besser gegen Flecken zu schützen, denn wenn man so ein Malheur einigermassen schnell wegtupft, nimmt das Tuch die Feuchtigkeit bzw. das Fett nicht so schnell auf. Also genau das Richtige für’s Weihnachtsessen.

    Like

    Antwort
  2. Pega Mund

    ach, ich bin richtig froh zu lesen, dass du die sachen mitgenommen hast (ich hätts auch getan), und dass du den fernen onkel würdigst, ihm hier ein kleines denkmal errichtest, damit dessen leben und schaffen nicht ganz und gar verloren geht …

    kaliningrad, königsberg – am 09. januar fliegt mein junger sohn mit seinem meister dorthin. sie sind orgelbauer und werden in k. eine orgel aufbauen, die sie in bochum abgetragen und reisefertig gemacht haben … lieben gruß, pega

    Like

    Antwort
    1. emhaeu Autor

      Eine Orgel zieht um, das hat man auch nicht alle Tage. Hier werden im Zuge des tagebaus mindestens zwei alte Kirchen abgerissen, die eine hat eine schöne Orgel von einem bekannten Orgelbauer, keine Ahnung , was damit passieren wird. Einen schönen Abend! Martin

      Gefällt 1 Person

      Antwort
      1. Pega Mund

        wer weiß, vielleicht zieht die orgel ja doch auch um … kürzlich war ich zu einer orgelweihe in esslingen eingeladen, die orgelbauer hatten in einer noch „jungen“, orgellosen kirche dort eine orgel aus einer kemptener kirche installiert. es war ein schönes feierliches ereignis und herrschte große freude, dass man nun endlich eine orgel im kirchenraum hatte. – liebe grüße!
        pega

        Like

  3. Susanne Haun

    Ich benutze gerne Stofftischdecken, -Servietten und -Taschentücher. Wie schade, dass die Dinge bei deiner Schwesters Familie keinen Anklang gefunden haben.
    Ich habe Mamas umhäkelte Taschentücher mitgenommen und in jede meiner Jackentaschen eines gesteckt. Mama umhäkelte sie vor meiner Geburt.
    Seit dem Tod meiner Mutter mache ich mir wieder verstärkt Gedanken um den Sinn der Dinge, mit denen ich mich umgebe und das aussortieren fällt mir leichter.
    Viele Grüße von Susanne

    Gefällt 2 Personen

    Antwort

Hinterlasse eine Antwort zu Pega Mund Antwort abbrechen

Diese Seite verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden..