Das Boot ist weg!

Da liegt es, nein, da lag es, im Sommer, reisefertig auf dem Trailer: Unser Boot. Jetzt ist es weg, verkauft. Was nicht so einfach war.

Im August habe ich je eine Anzeige bei Ebay-Kleinanzeigen und Kalaydo eingestellt, mit vorteilhaften Bildern und einem Text, der nur eins ausdrücken sollte: Da muss man einfach zugreifen, schlappe 4500 € für so ein schönes Boot inclusive Anhänger. Es wollte aber niemand zugreifen. Wirklich niemand hat sich gemeldet.

Ende September setzte ich hinter den Preis ein „VB“. Aber niemand wollte verhandeln. Dann, in der letzten Oktoberwoche, als ich die Anzeige schon offline schalten wollte, meldete sich jemand, stellte 1000 Fragen und reiste dann Mitte November aus Hessen an. Ich sollte schon mal den Kaufvertrag fertig machen, er wolle das Boot gleich mitnehmen. Hat er aber nicht gemacht, weil ihm das Unterwasserschiff nicht gefiel. Die Farbe, diesen Sommer von einem Bootsbauer neu aufgetragen, war ihm nicht glatt genug. Das könnte bremsen.

Kurz drauf rief noch einer an. Er wolle erst in Urlaub fahren, aber dann würde er sich das Boot anschauen kommen. Ob es am 9. Dezember passe. Kein Problem, solange konnte ich warten, war ja auch sonst kein Interessent in Sicht. Und wer würde schon im Winter ein Boot kaufen?

Tatsächlich rief aber vorige Woche noch jemand an. Wollte sich das Boot ansehen, ob es am 9. Dezember passe? Kein Problem, sagte ich. Am nächsten Tag rief der Interessent an, der inzwischen aus dem Urlaub zurück war. Er wolle noch einmal an den Termin erinnern, 9. Dezember. Er komme vom Bodensee, werde morgens abfahren und so kurz nach Mittag da sein. Da kommt noch jemand, sagte ich. Darauf entspann sich eine längere Unterhaltung um die Tatsache, dass er doch zuerst angerufen hätte und deswegen das „Vorkaufsrecht“ habe. Das stürzte mich ein wenig in Verzweiflung. Ein Käufer hätte mir ja genügt. Aber wenn ich jetzt den einen verprelle und der andere fährt auch wieder, ohne das Boot zu kaufen – dann hätte ich ja am Ende gar keinen Käufer. Ich rief also den Mitbewerber noch einmal an und bat ihn, erst am Nachmittag zu kommen. Wollte er aber nicht, weil er an dem 9. Dezember noch zwei andere Boote besichtigen wollte und nicht den gesamten Zeitplan …

Der Samstag kam, das Wetter war grauslich. Scharfer Wind, Schneeregen. Der Käufer kam, schaute sich alles sehr, sehr gründlich an. Ich schlotterte bald vor Kälte und ging zeitweise in den Keller zwecks Aufwärmen. Er wollte das Boot kaufen. Aber da war ja noch der mit dem „Vorkaufsrecht“, weshalb er abzog, ich versprach, noch am Nachmittag anzurufen.

Um 2 Uhr kam der Interessent vom Bodensee. Mit Freundin, fast erwachsenem Sohn und 2jähriger Tochter. Wieder gründliche Besichtigung, wieder saukalt. Das Töchterlein blieb drinnen, R. spielte Babysitterin. Er kaufte das Boot, ich bekam ein dickes Bündel Geldscheine. Jetzt musste alles reisefertig gemacht werden, wieder lange Fummelei in der Kälte, das Töchterlein war sehr zufrieden mit ihrer Babysitterin. Als alles fertig war, kam ein Schneeschauer. Ob sie das Boot erst morgen abholen könnten, sie wollten noch bei Verwandten in der Nähe übernachten und am Sonntag ausgeruht auf die lange Reise gehen. Klar doch.

Leider war der Wetterbericht extrem ungünstig für solche Vorhaben. Ich machte mir Sorgen über Sorgen und stellte mal wieder fest, dass dergleichen nichts mehr für mein Alter ist. Am nächsten Tag kamen sie, dichtes Schneetreiben. Boot wurde angehängt, Blinker rechts funktionierte nicht. Wieder langes Rumgefummel, leider kann man mit dicken Handschuhen an der Autoelektrik nicht viel machen, drum wurden die Finger kalt, ohne das der Blinker angefangen hätte, zu blinken. Irgendwann beschloss er, dass der Blinker rechts so wichtig nicht sei und fuhr los.

Es schneite und schneite. Ich schaute mir jede Stunde Wetteronline und den Straßenzustandsbericht an. Wenn das mal gut geht, 550 km durch Schneetreiben, über Eifel, Hunsrück und dann die schwäbischen Berge… Um 22.30 Uhr kam eine Mail: Gut angekommen. Uff.

11 Gedanken zu „Das Boot ist weg!

  1. emhaeu Autor

    Hallo Pit!
    Na, wenn die kleinen Bläschen am Rumpf nicht doch Osmose waren, der Schrecken aller Kunststoffboots-Eigner …?
    2400 Meilen ohne greifbaren Erfolg (falls man die Sache nicht rumdrehen will und sich sagt, dass die (richtige) Entscheidung, nicht zu kaufen, doch ein Erfolg war) ist natürlich ein dickes Ding. Ich habe mal was ähnliches Erlebt, da bin ich mal nach Polen gefahren, habe nach einer Nacht mit viel Überlegungen und wenig Schlaf „Nein, danke“ gesagt und bin wieder nach Hause gefahren. Das waren aber nur 850 km eine Strecke, nicht gut 3000 Kilometer …
    Schönen Sonntag!
    Martin

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    1. Pit

      Hallo Martin,
      genau das – Osmose – war natuerlich die Befuerchtung des Kauefers. Ich habe dann vor Ort mit dem Bootsbauer telefoniert, die Dinge geschildert und gefragt, was eine gruendliche Beseitigung kosten wuerde. Er hat damals 500 D-Mark genannt, und die haben wir von meinem geforderten Preis abgezogen. Ob man – wenn es denn Osmose war – das fuer diesen Preis haette beseitigen koennen, dass wussten natuerlich weder der Kaeufer noch ich. Wir haben uns auf den Bootsbauer verlassen. Und ich habe spaeter keine Klagen gehoert, sondern ein schoenes Foto vom Boot auf dem Zuerichsee bekommen. Der Kaeufer muss also zufrieden gewesen sein.
      Was meine Boots-Odyssee angeht: nach meiner ersten Begeisterung fuer das Boot hatte ich erstens Bedenken wegen des Ziehens mit unserem SUV. Ich haette es vom Gewicht her zwar gedurft, aber das Auto sah vor dem Boot auf seinem Haenger doch erschreckend klein aus. [Haette ich allerdings dran gewoehnt sein muessen, denn schliesslich habe ich meine 21-Fuss H-Jolle ja frueher mit einem Peugeot 205 gezogen. Motto: wo will das Boot mit dem Auto hin?! 😀 ] Aber in unserem Fall hier war der Haenger UNGEBREMST! Und das bei knapp 3500 Lbs! Das hat mich dann doch sehr bedenklich gestimmt. Dazu kam dann, zweitens, dass da ganz feine Haarrisse im Gelcoat waren, von denen ich nicht wusste/sehen konnte, ob sie nur oberflaechlich waren. So habe ich dann eben in der Nacht im Motel ueberlegt und ueberlegt und mich am Ende gegen den Kauf entschieden. Fuer meine Absichten, naemlich hier im Kuestenbereich in teilweise sehr flachen Gewaessern zu segeln, waere ein Kielschwerter mit 65cm Tiefgang ohne Schwert natuerlich ideal gewesen.
      Ob die Entscheidung die Richtige war? Im Nachhinein gesehen: ja! Zurueckdenkend an meine Erfahrungen mit „Lord Jim“ glaube ich, dass ich das Boot nicht so viel genutzt haette, dass der Kauf sinnvoll gewesen waere. Und fuer Mary hatte es einen Riesenvorteil, dass ich nicht gekauft habe: ich habe fast den gesamten geplanten Kaufpreis in einen schoenen Diamant-Hochzeitsring fuer sie investiert.
      Wenn ich so nachdenke, dann war mein Seglerbazillus wohl doch nicht ganz stark genug, um mich total zu infizieren. 😀
      Liebe Gruesse, und hab‘ ein feines Wochenende,
      Pit
      P.S.: Es stand damals noch ein anderes Boot in der ganz engen Auswahl, ein richtige heisser 21-Fuss Renner, mit tiefem Kiel und Mini-Schlupfkajuete. Haette mich schon sehr gereizt, denn dieses Boot waere sogar ins Surfen gekommen. Aber bei dem Kiel haette ich es fast in jedem Revier kranen muessen, und fuer die Gewaesser zwischen unserem Lieblingsort [Port Aransas] und der Festlandskueste waere es kaum geeignet gewesen.
      P.P.S.: Bilder von den beiden Booten habe ich uebrigens immer noch. Ich schicke Dir bei Gelegenheit mal welche per E-Mail.

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  2. Pit

    Hallo Martin,
    also bei mir war es einfacher, als ich meinen „Lord Jim“ verkauft habe. Es hat sich zwar nur ein Interessent gemeldet, aber das schon nach kurzer Zeit. Er wohnt allerdings in der Schweiz, und so haben wir uns den Weg geteilt: ich habe das Boot in den Suedschwarzwald [da wohnte damals ein Freund von mir] gekarrt, und der Interessent hat es da besichtigt und tatsaechlich auch gekauft. Allerdings mit einem kleinen Abschlag, weil wir erst dort bei genauer Besichtigung kleine Blaeschen am Rumpf entdeckt haben und wir nicht wussten, ob das die damals bei Kunststoffschiffen beruechtigte „Blaeschenkrankheit“ war und deswegen den Bodensanstrich erneuert werden muesste.
    Deine Geschichte erinnert mich uebrigens auch daran, dass ich mir hier in den USA einmal ein Boot zulegen wollte, ein 23-Fuss Kielschwert-Kajuetboot. Dafuer bin ich – 14 Tage vor unserem Hochzeitstermin hier – bis nach Tampa/Florida gefahren [fast 1200 Meilen = 2 Tage Highway fuer eine Strecke]. Ich haette das Boot auch fast gekauft, wenn der Verkaeufer nicht am Abend meiner Ankunft keine Zeit fuer die Formalitaeten gahabt haette, weil er seine Tochter am Flughafen abholen musste. Ich erinnere mich noch gut, dass ich in der Kajuete gesessen und schon mit gewisser Vorfreude mit Mary telefoniert habe. Aber dann, abends und in der Nacht im Motel, habe ich kalte Fuesse bekommen und mich gegen den Kauf entschieden. Am naechsten Morgen bin ich dann zum Verkaeufer und habe ihm gesagt, dass aus dem Kauf nichts wird. Er sah da kein Problem, weil er noch einen anderen Interessenten hatte. Der es uebrigens dann schon am Nachmittag gekauft hat. Und ich bin wieder zurueck nach Karnes City, wieder 2 Tage auf dem Highway. Wir spechen heute noch von meiner „Wild Goose Chase“. 😉
    Ja, ja, die Segelei. Manchmal wuerde ich ja auch heute noch gerne! 😦
    Hab’s fein,
    Pit

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    1. emhaeu Autor

      Tatsächlich sind die Sorgen ein wichtiges Argument für den Verkauf gewesen. Als Nicht-Bootseigner kommt man vielleicht gar nicht darauf, was an so einem Boot alles hängt. Bis hin zur Versicherung und dem TÜV für den Hänger…
      Ich fühle mich jedenfalls tatsächlich um eine Last erleichtert. Die Last der Dinge …..

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  3. Ulli

    Habe ich sehr gern gelesen und meinen Glückwunsch zum Verkauf … und nu, kein Boot mehr, nie wieder segeln oder demnächst noch rudern oder paddeln?
    liebe Grüße,
    Ulli

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    1. emhaeu Autor

      Nein, liebe Ulli, nie wieder segeln, das soll nicht sein. Der Segelclub am Rursee bietet ganz billig Clubboote an, 5 € pro Tag, alte Kähne, aber Segelboote. Und ein Kajak auch. Da hab ich zwar noch nie drin gesessen, aber R. will das gerne mal probieren …
      Schönen Sonntag!
      Martin

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    1. emhaeu Autor

      Man baut tatsächlich auch zu einem Boot eine Art Beziehung auf. Drum finde ich es gut, dass es bald über den schönen großen Bodensee schippern darf und nicht nur auf unserer Talsperre ….

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  4. puzzleblume

    Ja, so Käufer von Booten sind denen von Oldtimern anscheinend sehr ähnlich. Sie planen eine Rundtour zu zehn verschiedenen Optionen, und erwarten divengleich von den Verkaufswilligen gleichzeitig eine Sonderbehandlung, als kämen sie wie der Erbonkel von Übersee. Schön, wenn sie überhaupt, und dann mit Bargeld kommen, das sie dann auch nicht woanders noch hinfahren um später nochmal zurückzukommen, woraufhin man u.U. noch ein weiteres Wochenende versaut hat.

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    1. emhaeu Autor

      Es hätte, das ist gewiss, erheblich schlimmer kommen können; das Boot ist mit seinen fast 30 Jahren ja auch ein Oldtimer; nur dass bei Oldtimern, glaub ich, der Käuferkreis größer ist. Boote sind derzeit etwas aus der Mode, jedenfalls solche. Die jüngeren Segler wollen Kite-Surfen oder bevorzugen so richtig schnelle und schwer zu segelnde moderne Kisten; unser Boot war mehr so ein alter 280er Mercedes.

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