Ein Tizian wird passend gemacht

Der Roman, den ich gerade lektoriere, braucht ein Cover. „Redaktion, Buchgestaltung und Cover von Martin Haeusler“ steht im Impressum, also muss ich mir was einfallen lassen. Kann nicht schwer sein, meinte ich im Gespräch mit dem Autor. In dem Roman geht es um Verbrennungen, Feuer, dunkle Geheimnisse – da nehmen wir einfach irgendein Gemälde aus Renaissance oder Barock. Höllenfeuer, Hexenverbrennung, Weltuntergang – da wird schon was passen. Und um das Copyright muss man sich auch keine Sorgen machen bei den alten Schinken.

Leider gibt es dann doch nicht so viele alte Gemälde mit höllischem Feuer. Und wenn, dann schmoren da eine Menge Leute, während es im Roman nur um einen geht.
Nach langem Suchen habe ich dann doch was gefunden: „Das Martyrium des Heiligen Laurentius“ von Tizian. Im Original ein riesiges Wandgemälde in der Jesuitenkirche von Venedig:

Copyright Zenodot Verlagsgesellschaft mbH – GNU free document licence

Das passt super, denn auch der Heilige Laurentius spielt in dem Roman eine Rolle, der Heilige, der – so will es die Legende – , als er auf dem Rost verbrannt worden ist, seinen Peinigern zugerufen haben soll: „Dreht mich rum, die eine Seite ist schon gar! Und wenn ich gut durch bin, dann zögert nicht, mich aufzuessen!“

Dummerweise, das habe ich dabei gelernt, unterliegen auch Reproduktionen von uralten Gemälden einem Copyright. Aber eine nette Bildagentur hat eine sehr gute Reproduktion für den allgemeinen Gebrauch freigegeben.

Natürlich ist das Gemälde für ein Cover viel zu kleinteilig, außerdem muss freie Fläche her für die diversen Texte. Also habe ich das gesamte untere Bilddrittel  mitsamt dem Laurentius abgeschnitten. Mond und Engelchen erschienen mir auch nicht passend, wurden auch abgeschnitten. Darauf fehlten aber ein paar Zentimeter an Höhe, also habe ich das Bild wieder vergrößert und die Engelchen einfach weggestempelt. Der arme Tizian! Aber, wie sagt man so schön: Ist der Ruf erst ruiniert, stempelt es sich ungeniert. Auch zwei Soldaten mit ihren Helmen und eine Lanze mussten dran glauben, dann noch ein paar Stellen, wo wohl die Wand durchscheint, fertig.

Fertig? Nein, Anfängerfehler: Die Rückseite des Covers muss ja auf die linke Seite! Dann wäre aber der Mann mit dem grünen Helm auf der eigentlichen Titelseite. Geht nicht, geht nicht, vorne muss das Feuer zu sehen sein.

Also habe ich – Tizian und seine Fans dürfen jetzt nicht weiter lesen – das Bild in der Mitte durchgeschnitten und die Seiten vertauscht. Merkt der Betrachter – jedenfalls der, der den Tizian nicht kennt – ja nicht, denn er schaut sich ja nicht gleichzeitig Vorder- und Rückentitel an.

Noch den Barcode auf den Tizian gebappt, wirklich fertig.

Eins jedenfalls habe ich bei der peniblen Stempelei auf dem Tizian gelernt: Der Typ konnte verdammt gut malen!

22 Gedanken zu „Ein Tizian wird passend gemacht

    1. juergen61

      Nicht neu, unter Stalin hiessen die Apparatschiks …und hatten viel zu tun , denn Stalin mochte viele Leute auf einmal nicht mehr…da mussten ganze schwarz weiss Fotos neu zusammengestrickt werden 🙂 LG , Jürgen

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      1. emhaeu Autor

        Genug Leute mit genug Zeit, um alles fein stalinkonform zu machen, hatten sie ja. Wegen der Apps hat sich das Arbeitsfeld verlagert in zum Glück unproblematischere Felder: Restaurierung oder auch Fälschung von Kunstwerken beispielsweise, da gibt es viel zu tun.

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      2. emhaeu Autor

        Die hatten wirklich viel zu tun, zu analogen Zeiten war die Kunst der Fälschung ja eine zeitraubende Sache für begabte Spezialisten …

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  1. Susanne Haun

    Ich habe gerade gegoogelt, wo das Gemälde hängt: Santa Maria Assunta (Venedig, Cannaregio)
    Bist du dir sicher, dass nicht dort die Bildrechte liegen? Ich finde es sehr interessant und bin gespannt, was du herausbekommst.
    Die Zenodot Verlagsgesellschaft mbH – GNU free document licence arbeitet zusammen mit Wikipedia?

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    1. emhaeu Autor

      Ja, die haben ihren gesamten Bildbestand irgendwie über Wikipedia gemeinfrei gestellt. Wie genau das juristisch funktioniert, habe ich auch nicht verstanden. – Es gibt übrigens mehrere Versionen dieser Szene von Tizian.

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      1. Susanne Haun

        Wie bei der Venus, da gibt es auch mehrere Versionen immer mit geringen Abweichungen. Dann gibt es mehrere Orte, wo geschaut werden sollte 😉
        Wir werden uns gleich den Film über Schloss Türnich anschauen, danke für den Link.
        Liebe Grüße und einen schönen restlichen Sonntag von Susanne

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      2. emhaeu Autor

        Der film ist ja schon was älter, gibt aber einen schönen Einblick in die Welt der Grafens …. die Veranstaltung ist ja nicht im Schloss, sondern im großen Wohnzimmer der alten Grafen im Nebengebäude. LG Martin

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  2. Susanne Haun

    Lieber Martin,
    du hast wahrlich ein gutes Bild gewählt.
    Meistensteils liegen die Bildrechte von Gemälden bei den Museen, in deren Sammlungen das Bild enthalten ist.
    Ich bin mir nicht sicher, ob du ein Tizian remixen darst, da würde ich mich doch lieber vor Veröffentlichung erkundigen.
    Liebe Grüße und einen schönen Sonntag von Susanne

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    1. emhaeu Autor

      Remix hört sich gut an. — Und: Hatte Glenn Gould Ehrfurcht vor dem Altvorderen Mozart? Kann sein, jedenfalls hatte er keinerlei Ehrfurcht vor all den anderen Mozart-Interpreten, als er die Aufnahmen eingespielt hat. —- Mir gefällt ja immer der alte Spruch aus dem Mittelalter: Wir sind Zwerge auf den Schultern von Riesen. Also ganz klein, aber weil (und wenn!) wir auf den Schultern des Riesen Tradition stehen, dann können wir ein wenig weiter blicken. Aber ob das auch stimmt, wenn die Tradition zerschnibbelt und zerhackstückt und dann neu zusammengemixt wird? Sind wir dann nicht Zwerge, die laut schreiend auf den Riesen rumtrampeln, die wir selbst in kleine Stücke gehauen haben?

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      1. derdilettant

        Die alte Mimose Glenn Gould ist ein gutes Beispiel für respektlosen Umgang mit Autoritäten und Konventionen jeglicher Art. Funktioniert natürlich nur auf hohem Niveau, und wenn man was zu bieten hat. Andererseits: Ich finde den Hype um Genie, Gottesgnadentum und andere Monstrositäten bisweilen etwas überzogen. Wenn einer Großes schafft, ist das toll. Aber er bleibt auch nur ein Menschlein wie wir alle. Und ich denke, niemand sollte sich ohne Not zum Zwerg machen 🙂

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      2. derdilettant

        P. S. Problem mit den Urheberrechten ist auch, dass selbst der Fotograf eines Gemäldes unter Umständen dieses anmelden darf. Ist nämlich eine Kunst, ein Gemälde gut zu fotografieren.

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      3. emhaeu Autor

        Das ist sicherlich eine Kunst, wie ich von meinen Versuchen, Ausstellungskataloge für unseren lokalen Künstlerverein zu erstellen, weiß. Und eine Reproduktion eines Gemäldes in einer alten Kirche erst recht.

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  3. theomix

    „Heißa, was ein Spaß!“ – so liest sich das. Und was du an Mühen und Arbeit hineingesteckt hast, erscheint nur unterschwellig. Großartig gemacht, finde ich. (Blogbeitrag wie Umschlag.)

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    1. emhaeu Autor

      Ja den Umschlag kennst Du ja noch nicht, der muss noch geheim bleiben, bis das Buch auf dem Markt ist. Mühe und Arbeit, klar, aber die Zeit vergeht dabei wie im Fluge ….
      Ich kann übrigens in Deinem Blog seit einiger Zeit nicht kommentieren. Hast du die Funktion deaktiviert oder mache ich was falsch?

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