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Balken mit Bettvergangenheit

Jetzt liegen sie im Keller rum, die alten Fichtenholzbalken. Die Zeiten, in denen sie ein Baum waren, sind lange her: Über 100 Jahre.

Viele Jahre hat sie niemand gesehen. Sie dienten nämlich als Stützbalken in einer Wand in unserem alten Haus, das um 1930 gebaut worden ist, und waren hinter einer dicken Putzschicht versteckt. Ende der 80er Jahre kam jemand von uns auf die Idee, diese Zwischenwand zu entfernen, die Tochter sollte ein größeres Zimmer bekommen. Als Tapeten und Putz und Füllmaterial entfernt waren, blieb ein Balken-Gerippe übrig. Sah ganz gut aus als luftiger Raumteiler, blieb also stehen.

Die damals um die 8jährige Tochter hat die Balken dann bemalt und war stolz auf ihr Werk. Nicht lange, denn dann kamen ihr die Malereien zu kindlich vor und die gesamten Balken wurden entfernt.

Zu schade, um sie wegzuwerfen, aber was macht man damit? Nach ein paar Jahren baute ich daraus ein Bett, die bunten Balken blieben sichtbar und gaben dem Bett so eine Art Spät-Hippie-Touch. Was man nicht sehen konnte, wenn die 1,40 x 2,00 m große Matratze drauf lag: Das „Lattenrost“ bestand Brettern, die ich irgendwo abgestaubt hatte, das verstellbare (!) Kopfteil aus einer alten Tischplatte. Massives Fichtenholz, unverwüstlich.

Unverwüstlich. Wäre da nicht der Hippie-Stil gewesen, der irgendwann nicht mehr genehm war. Und dieses komische Lattenrost! Aus dem Alter sind wir doch raus! So wanderte das Bett ins Gästezimmer.

Bis uns vor 14 Tagen Bekannte uns ein Bett aus feinem massiven Edelholz angeboten haben, kostenlos, nur abholen, und die Matratzen sind auch fast neu!

So habe ich mit einer gewissen Wehmut das alte Bett in seine Einzelteile zerlegt, die Schrauben in die Schraubenkästchen einsortiert und weiß jetzt wieder nicht, was ich mit den Balken machen soll.

Im Strandatelier

Die Leute halten mich für bekloppt. Bin ich vielleicht auch, aber seit Monaten sitze ich jeden Tag stundenlang am Computer und arbeite an meinem Buch, über das ich hier im Blog schon mehrmals berichtet habe. Allmählich, ganz allmählich rundet sich das Ganze, aber ich stoße doch immer noch auf Rätsel, die dann dazu führen, dass ich für einen Satz oder nur eine Fußnote suche und suche, überlege und überlege.

Das obige Bild ist so ein Fall. Abgebildet sind zwei Tanten von mir. Das war leicht, denn die Namen stehen auf der Rückseite. Und die Angabe „Kahlberg 1918“. Auch das war leicht, denn das Ostseebad Kahlberg (poln. Krynica Morska) am Frischen Haff kommt sehr oft vor in dem Buch. Dort hatte der eine Großonkel ein Ferienhaus, dort verbrachte der Großvater mit seiner Familie regelmäßig die Sommerferien.

Aber der Strand von Kahlberg, von man zahlreiche historische Aufnahmen im Internet finden kann, sah ganz anders aus als der Strand hinter den beiden Mädchen.

Bestimmt eine Verwechselung. Also habe ich mir alle möglichen Strände in der Gegend in alten Bildern angesehen. Sehen aber alle anders aus, vor allem so einen Turm und ein derart hohes Windrad hat es nirgends gegeben. Und wenn es solch ein Ostseebad gegeben haben soll, dann habe ich es jedenfalls nicht gefunden.

Nun sieht man auf den ersten Blick, dass es sich dabei um einen gemalten Hintergrund handelt, dass die Cousinen sich also in einem Fotoatelier befinden. Aber trotzdem: Wenn die Aufnahme in Kahlberg bei einem Fotografen entstanden ist, wieso zeigt der Hintergrund dann ein anderes Ostseebad? Ich habe die Sache beiseitegelegt, das Bild lag lange vor mir auf dem Schreibtisch.

Durch einen Zufall habe ich die Lösung gefunden. Im Internet bin ich nämlich auf der Suche nach einer bestimmten Ferienpension auf ein ganz ähnliches Foto gestoßen. Und da stand, dieses ähnliche Foto sei im „Strandatelier“ des Fotografen Emil Thomae entstanden, der in der Altstadt von Elbing am Inneren Mühlendamm sein Fotostudio hatte.

„Strandatelier“, weil der Hintergrund am Strand aufgespannt worden ist. Wenn man genau hinsieht, erkennt man, dass die beiden Mädchen im Sand stehen. Emil Thomae hatte sich darauf spezialisiert, im Sommer von Ostseebad zu Ostseebad zu reisen und überall sein „Strandatelier“ aufzubauen. Weil er also nicht auf einen Ort spezialisiert war, hat er sich einen Universalhintergrund malen lassen …

Alte Fotos, alte Fotos

Da sitzen Großmutter und nicht etwa Großvater, sondern sein Bruder auf dem Boot des wohlhabenden Bruders und schippern übers Frische Haff. Scheint nicht allzu warm gewesen zu sein an diesem Sommertag 1915, denn die Großmutter trug einen bodenlangen Rock. Aber vielleicht gehörte es sich auch so für eine gerade 20 Jahre alte gewordene Mutter einer Tochter.

Jedenfalls: Ich sitze immer noch an den alten Fotos und versuche Stück für Stück, rauszufinden, was das für Menschen waren, die da abgebildet sind.